Wenn es um die letzten Lebensjahre von Klaus Hähner-Springmühl geht, wird seit seinem Tod immer wieder gerne das Klischee des kranken und vergessenen Künstlers ausgepackt. Klaus wäre verarmt, vereinsamt, gar schizophren gewesen. Dabei kann man ja nur verarmen, wenn man einmal reich gewesen ist. Das war Klaus im landläufigen Sinne nie. Er war dem Spirituellen zugetan, fasziniert von fernöstlichen Philosophien. Er versuchte alles Überflüssige weg zu lassen und sich auf das Wesentliche zu reduzieren.
Stille und Leere waren für Klaus nicht negativ besetzt. Einsam war er nicht, aber oft, vor allem zum Ende hin, zog er das Alleinsein vor. Sicherlich erschien er dem einen oder der anderen sonderbar. Klaus war mitunter sehr misstrauisch, bis hin zur Paranoia, und durch seine Schwerhörigkeit drang nicht mehr alles, was um ihn herum passierte, zu ihm durch.
Mitte der Neunziger Jahre wurde er in Berlin in die Psychiatrie gebracht, seiner Meinung nach zu unrecht. Eigentlich hatte er nur seine Ruhe haben, rauchen und im Bett liegen bleiben wollen. Im Krankenhaus bekam er Tabletten. Er wurde nach Leipzig verlegt und nach einigen Monaten Aufenthalt wieder entlassen. Eine Mitpatientin brachte ihn 1996 das erste Mal in die Durchblick-Villa und kurze Zeit später bezog er als erster Mieter ein Zimmer im obersten Stockwerk.
Klaus legte sehr viel Wert auf Selbstbestimmung und hegte eine Abneigung gegen jegliche Form von Kontrolle, Unterordnung und Bevormundung. Deshalb fühlte er sich im Durchblick e.V. wohl. Er bemalte und übermalte die Wände in seinem Zimmer, rauchte und spielte Saxophon. Hier im Haus musste er sich nicht um die Heizung, den Strom und die Nachbarn kümmern. Wenn er Gesellschaft oder Hilfe brauchte, dann fand er im Erdgeschoss immer einen Gesprächspartner, aber oft wollte Klaus auch einfach nur seine Ruhe.
Ende der 90er Jahre war er noch sehr aktiv, machte Kunst, knüpfte neue Kontakte, ging aus und auf Reisen. Anfang der 2000er Jahre kam er zweimal mit auf Kunstgruppenfahrt.
Nachdem er einmal 6 Monate weg gewesen war, antwortete er auf die Frage, wo er denn gewesen sei, empört mit einer Gegenfrage: „Na, muss ich mich jetzt rechtfertigen?“ In seinen letzten Jahren verbrachte er viel Zeit in seinem Zimmer, oder er ging in den Wald, stand dort und rauchte.
Es war auch nicht so, dass ihn alle seine Bekannten und Freunde verlassen oder vergessen hätten, Klaus bekam immer mal wieder Besuch, doch zum Ende hin wollte er seinen Besuch einfach nicht mehr sehen. Allerdings war es auch nicht so, dass ihn niemand vergessen oder verlassen hätte. Viele seiner Künstlerkollegen, die ihn zu DDR-Zeiten sehr geschätzt hatten und ihn nun nicht mehr kannten, die hatten ihn sehr wohl vergessen und verlassen, denen nahm er das auch übel.
Er passte scheinbar nicht mehr in die Szene und war nicht mehr angesagt. Vermutlich hatte sich auch das Gerücht verbreitet, dass er schizophren sei. Eigensinning war er auf jeden Fall. Seine Paranoia war zu DDR -Zeiten ja durchaus berechtigt. Schizophren haben wir ihn nicht erlebt. Mal davon abgesehen, dass Schizophrenie ein sehr umstrittener Begriff ist.
Eine Zeit lang war das Zimmer, in dem Klaus zehn Jahre gelebt hat, der Öffentlichkeit zugänglich. Inzwischen ist es wieder bewohnt.
25. 10. 2018